Wenn sich ein Narzisst trennt und nicht geht.

Gastbeitrag von anonym 

„Der Zwang zur Kooperation mit einem narzisstischen oder antisozialen Elternteil löst bei den Betroffenen Verzweiflung aus. Das Herunterspielen der psychischen und emotionalen Auswirkungen eines geteilten Sorge- und Umgangsrechts mit einem Narzissten, Soziopathen oder Psychopathen sorgt dafür, dass Elternteile, die zu einer "gemeinsamen" Kindererziehung gezwungen sind, sich dem persönlichkeitsgestörten Elternteil (weiterhin) hilf- und schutzlos ausgesetzt fühlen, denn Co-Parenting mit einem persönlichkeitsgestörten Elternteil ist je nach Ausprägung der Störung schwierig bis unmöglich. […] Narzissten sind grundsätzlich nicht an einer Lösung oder Beilegung von Konflikten interessiert. Im Gegenteil, Konflikte werden von Narzissten häufig sogar erst angefacht und am Leben erhalten. Dadurch stellen Narzissten sicher, dass die Aufmerksamkeit dort bleibt, wo sie ihrer Meinung nach hingehört: bei ihnen.“ (QUELLE)

Mein Ex-Partner und ich haben einen gemeinsamen Sohn (6Jahre). Als der Kindsvater aus der Beziehung gegangen ist, war der Kleine gerade mal vier Jahre alt. Unsere Beziehung hielt 15 Jahre. Mein Ex wollte immer Kinder haben. Ich habe aber erst zu Ende studiert und als ich eine feste Stelle im Job bekam, da habe ich mir und meinem damaligen Freund eine Freude gemacht. Ich wurde schwanger. Die Welt war in Ordnung. Wir waren finanziell abgesichert und ich dachte, wir seien in einer guten Beziehung.

Mein Ex und ich haben zwei Immobilien gekauft. In der einen Wohnung lebe ich mit unserem gemeinsamen Sohn. Die andere Wohnung, die als Kapitalanlage gedacht war, die hat mein Ex für sich als Eigennutz bezogen, nachdem er ausgezogen ist.

Als es darum ging, das Umgangsrecht zu regeln, da schlug mein Ex das Wechselmodell vor: eine Woche bei Mama, eine Woche bei Papa. Da fing alles an. Ich bin gegen dieses starre Modell und wollte auf gar keinen Fall die Kontinuitäten unseres Sohnes in der Form durchbrechen. Die Hölle ging los. Mein Ex wollte das Kind nicht mehr nach Hause bringen, hat mich teilweise ausgesperrt und sich mit dem Kleinen in der Wohnung verbarrikadiert.

Er fing an zu behaupten, dass das Kind nicht zu Mama wolle und mir einzuflüstern, ich denke nicht an das Kind. Während ich gerade diesen Text tippe, liebe Nadine, merke ich wie mein Herz bereits anfängt schneller zu schlagen und ich Angst bekomme. Die Gefühle, die ich als Mutter erlebe, und erlebt habe, sind brutal.

Mein Ex hat vor Gericht eine Prozessstrategie verwendet, um sein Ziel zu erreichen. Einen Tag vor der Verhandlung rief mich mein Anwalt an und fragte mich, ob ich meiner Arbeit nachging. Ich bejahte. Nach der Trennung war ich zehn Monate krankgeschrieben, da ich alles verdauen und mich mit Anwälten beraten musste. Ich hatte so Angst den Kleinen zu verlieren. Der Verstand wusste, dass es nicht passierte, aber die Gefühle dabei waren, und sind manchmal immer noch, die Hölle.

Mein Ex teilte dem Gericht mit, die Mutter sei krankgeschrieben und dass er sich zu 80% um das Kind gekümmert habe - seit der Geburt. Eine Lüge, die das Gericht nicht geglaubt hat. Er hat gelogen, um die Hälfte der Betreuungszeit zu bekommen. Gott sei Dank kann man ein Umgangsmodell nicht einfach nach persönlichem Gusto bestimmen.

Die Kinder stehen im Vordergrund und nicht die Wünsche der Eltern. Das wusste meine Intuition als Mama die ganze Zeit, aber zu sehen, wie dein ehemaliger bester Freund dich so dermaßen verrät, das ist ein Trauma. Ich lebte ein Jahr lang mit Herzrasen und Weltschmerz. Meinem kleinen Jungen schenkte ich dennoch immer ein Lächeln und mir gelang es den Alltag trotz der Widerstände zu meistern.

Die Familienberatung steht mir seit zwei Jahren bei und nächsten Monat bin ich zum Gespräch beim Frauenverband. Ich möchte andere Menschen gerne dabei unterstützen, sich nicht aus Angst einschüchtern zu lassen.

Mein Ex klagte nach dem Amtsgericht noch beim Oberlandesgericht. Als ich die Nachricht bekam, brach erneut eine Welt für mich zusammen. Man riet ihm davon ab, aber er führte seinen Plan kaltherzig durch. Er scheiterte erneut. Nach dem Beschluss fing er an, mir zu sagen, der Kleine wolle zu ihm.  Schritt für Schritt verstand ich, dass ich es mit einem Mann zu tun habe, der Narzisst ist und versucht, seine eigene traumatische Vergangenheit als Scheidungskind auf den gegenwärtigen Konflikt zu projizieren.

Er hat leider keine Einsicht gezeigt und versucht mich weiterhin zu degradieren und systematisch zu schwächen mit Dingen wie: „Der Kleine hat gefragt, wieso er nicht die Hälfte bei mir ist?!“. Sowas bringt dich immer wieder um. Zum einen sieht er nicht, dass er den Kleinen als Schutzschild für sich benutzt und das Schlimme ist, dass er den Kleinen damit in einen Loyalitätskonflikt bringt. Es kommt mir vor, als versuche er auf 1000 Arten an sein Ziel zu kommen. Es tut so weh und ich lebe in ständiger Sorge.

Aus der Stadt, in der wir leben, kann ich nicht weg. Er droht sonst damit, vor Gericht, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu klagen. In meiner Heimatstadt habe ich Familie und ich könnte einen Neubeginn starten. Er hat dazu eine klare Meinung: „Du kannst gehen, der Junge bleibt hier.“ Die Immobilien-Auseinandersetzung steht in naher Zukunft an und auch was das betrifft, scheut er keine Lügen und fordert Summen, die ich ihm nicht schulde, weil er weiß, dass mir das mehr Arbeit abverlangen und weniger Zeit mit meinem Sohn einbringen würde.

Er sieht hier lediglich seine Chance, mehr Zeit mit dem Kleinen zu verbringen und ihn meiner Aufsicht, aber in erster Linie: Fürsorge, zu entziehen. Ich leide 1000 Tode und fühle mich in Deutschland aufgrund mangelnder Sichtbarkeit sehr allein mit der Thematik.

Zu dieser Thematik gibt es zu wenig empowernde Säulen. Juristisch gesehen, wenn es um das Sorge- bzw. Umgangsrecht geht, werden die Belange der Elternteile nicht aus psychologischer Perspektive betrachtet. Damit es dazu kommt, sind tausende von Anträgen für Gutachten zu stellen. Eine sehr komplizierte, teure und nicht wünschenswerte Herangehensweise. Der Bundesverband für Beratungsstellen für Frauen (BFF) in Berlin setzt sich zwar für die Rechte bzw. für die Vernetzung zwischen Gesetzgebung (Kindschaftsrecht) und Gewaltschutz auf psychischer Ebene ein, aber es ist ein langer Weg.

Ich denke mir immer: „Wenn jemand eine Verletzung hat oder physisch krank ist, dann kommen alle und helfen. Aber wenn du von systematisch psychischer Gewalt betroffen bist, dann interessiert sich keiner.“ Daher ist es mir mit der Veröffentlichung meiner Geschichte ein Anliegen, auf die Thematik von Co-Parenting mit einem Narzissten aufmerksam machen. Mehr dazu und darüber hinaus, findet ihr hier. Hilfestellen findet ihr bei lokalen Jugendämtern und der Familienberatung. Darüber hinaus gibt es im Internet jede Menge Adressen von Frauenverbänden in eurer Nähe, z.B. hier. 

 

 (Dieser Text wertet nicht Narzissmus, sondern beschreibt einen Fall.)