HOW TO BE NORMAL – FILM REVIEW
How to be normal, aber was ist eigentlich normal?
Dieser Frage geht der Film von Florian Pochlatko mit Céline Luisa Gaffron in der Hauptrolle intensiv auf den Grund. Intensiv ist nicht nur die Storyline, sondern auch die Protagonistin Pia, die sich mit allerlei psychischen Herausforderungen durchs Leben kämpft. Ihre Eltern sehen ihre Rettung in unzähligen Pillen, Klinikaufenthalten und Bewachung. Doch Pia versteht die Welt, ihre Welt, nicht mehr.
Während ihr Umfeld sie mit Samthandschuhen anpackt und immer wieder darauf hinweist, dass sie krank; dass sie nicht normal ist, versucht Pia mit ihren Dämonen auf ihre Weise klarzukommen. Das endet in selbstzerstörerischen und/oder exzessivem Verhalten. Alkohol, Fressanfälle, Sex und unkontrollierten Wutausbrüchen sowie emotionalen Break-Downs. So dass nicht nur die Protagonistin, sondern auch die Zuschauenden das Bewusstsein für Zeit und Raum verlieren.
Der Film tut weh, nicht weil er schlecht gemacht ist – im Gegenteil. Er tut weh, weil er so echt ist; weil er Pia gleichermaßen, wie die Zuschauenden verzweifeln lässt. Verzweifeln an einer normativen Welt, die wenig Raum fürs Anderssein lässt. Gleichzeitig zeigt der Film auch die Seite der Angehörigen, Freunde*, (Ex-)Liebhaber* und Kollegen*. Denn es ist eben auch nicht leicht, wenn beispielweise die Partnerin zu schizoiden Episoden neigt, Psychosen entwickelt und Grenzen überschreitet.
Die Stimmung des Films ist ebenso dynamisch wie Pias Launen. Die Musik, die Farben, der Schnitt, alles wirkt trotzdem harmonisch und passend. Die Geschichte fesselt, gleich zu Beginn, auch wenn nicht viel passiert. Zurück im Alltag, mal wieder. Der Film endet, wo er angefangen hat – in der Klinik. Und das Gesundheitssystem mit seinen Lücken und fehlender Sensibilisierung kriegt auch noch einen mit, anders ist die beinah desinteressiert wirkende Haltung des Psychiaters, der ihr lediglich eine Anpassung der Dosis oder anderes Medikament verschreibt, nicht zu erklären. Leider Alltag für viele psychisch Erkrankte.
Der Film rüttelt wach, ohne einen zu ohrfeigen. Dafür wirkt Pia in vielen Momenten viel zu zerbrechlich und ihr innerer Kampf zu nahbar. Céline Luisa spielt die Rolle mit sehr viel Herzblut, das erkennt man direkt. Aber auch ihre kontrollierenden Eltern erfahren eine Wandlung und finden sich am Ende selbst mit Panikattacken kämpfend und maßlos überfordert von ihrem Leben wieder. Auf einmal entwickeln sie ihrer Tochter gegenüber Verständnis und oberflächliche Floskeln weichen echter Nahbarkeit und Schwäche. Auch wenn es so viel leichter wäre, unschöne Dinge einfach unter den schön gedeckten Abendbrottisch fallen zu lassen.
Der Film braucht definitiv eine Triggerwarnung, da Themen wie Selbstverletzung (Ritzen) und Diskriminierung von psychisch Erkrankten ungeschönt zur Schau gestellt werden. Ungeschönt wie die Realität nun mal ist. „How to be normal“ berührt, das haben die Reaktionen der anderen Zuschauenden gezeigt. An der ein oder anderen Stelle sind Tränchen geflossen oder wurden unterdrückt – auch bei mir.
Bild: @sarahwillmeroth