Das Ding mit der Selbstliebe.

Gastbeitrag von Anne

Selbstliebe! Mega gute Sache. Alle vermeintlichen „Schönheitsfehler“ annehmen; alle Dellen, Fettpolster, Narben feiern – ein bisschen Glitzer drauf; den kleinen, großen und unterschiedlich geformten Brüsten ein Denkmal errichten – schön! Also ja, absolut, ich wäre dabei. 

Aber zumindest bei mir funktioniert das nicht so schnell mit der Liebe. Weder bei Menschen noch bei meinem eigenen Körper. Jahrzehntelang war ich felsenfest davon überzeugt, dass ich nicht gut genug bin, wie ich bin. Und mit „gut“ meine ich attraktiv. Denn das war eine weitere Überzeugung: Ich wurde gemocht für mein Äußeres, vor allem von Männern. Und da ich von Natur aus nicht schön, schlank und anziehend genug war, musste ich mich optimieren, koste es, was wolle – auch meine psychische und physische Gesundheit.

Doch egal, wie gestylt meine Haare waren, wie wenig ich gegessen und wie viel Sport ich gemacht hatte; wie viel Schminke ich trug; wie figurbetont und cool meine Klamotten waren, das Gefühl von Zufriedenheit stellte sich nie ein. Komisch, oder?

Wenigstens ein paar Männer interessierten sich für mich. Um genau zu sein: für eine Nacht. Immerhin! Da ich allerdings mehr unglücklich als alles andere war, konnte ich mir davon auch nichts kaufen.

Mithilfe meiner überaus geschätzten Therapeutin habe ich es geschafft, eine andere Beziehung zu mir und meinem Körper aufzubauen. Wie bei den meisten Beziehungen gab es gerade am Anfang auch einige Rückschläge. Zwischendurch war es mal kompliziert und mittlerweile sind wir ganz stabil unterwegs. 

Ich habe realisiert, dass ich mehr bin als mein Äußeres; mehr als eine Zahl auf der Waage, eine Frisur oder die lang geschminkten Wimpern; mehr als ein knackiger Arsch oder muskulöser Bauch. Was mich ausmacht, siehst du nicht unbedingt auf den ersten Blick. Du bekommst es mit, wenn du mich kennenlernst, wenn du erfährst, wie ich ticke und welche Werte mir am Herzen liegen, wofür ich mich einsetze, was mich aufregt und was mich begeistert. 

Das war ein großer Schritt für mich und ich bin wahnsinnig stolz darauf so weit gekommen zu sein. Dennoch tue ich mich schwer mit der „Liebe“ in dem Begriff Selbstliebe. Die Selbstzweifel, die mein Leben lang auch durch eine Gesellschaft kultiviert wurden, die Frauen klein hält, indem sie damit beschäftigt sein sollen, einem unmöglichen Schönheitsideal hinterher zu eifern, sitzen tief. Ein paar gute Jahre mit einer freundlichen Beziehung zu mir und meinem Körper lassen aus dem (Selbst-)Hass keine (Selbst-)Liebe entstehen. Das ist auch nicht mein Ziel. Ich bin zufrieden mit Selbstwertschätzung. Ein, zugegeben, vielleicht etwas holpriges Wort. Für mich enthält es jedoch viel mehr als das so große Wort „Liebe“. Es geht darum, mich selbst und meinen Körper wertzuschätzen; mich anzunehmen, wie ich bin, mit all dem, was ich mag und was nicht – innerlich und äußerlich. 

Es muss nicht direkt „lieben“ sein, denn mich nicht abzulehnen ist schon ein sehr großer Erfolg. 

Und irgendwann, vielleicht, definiere ich mich gar nicht mehr über mein Äußeres. Dann fühle ich mich so sicher und wohl in meiner Haut, dass ich mir kaum noch Gedanken darüber mache, wie ich aussehe und was andere davon halten. Vielleicht auch nicht, Unsicherheiten und gelegentliche Zweifel gehören zum Menschsein schließlich dazu.

Für mich muss es keine Liebe sein, Wertschätzung ist, genau wie ich, vollkommen genug.